
Ich liege im Stadtpark, der direkt bei uns um die Ecke ist und bewundere die Schönheit der Natur, man fühlt sich hier wie auf dem Land - Stille, alles leuchtet in verschiedenen Grüntönen, Schatten, Sonne, Blüten, Vogelzwitschern, wie im Urlaub! Finde den Fehler? Ja, ich habe meinen Laptop mit um nicht einfach an einem Donnerstag faul im Park zu liegen sondern doch auch bitte produktiv zu sein. Das schlechte Gewissen nagt an mir - auch wenn ich den Bürokram schon erledigt habe und es eigentlich keinen Grund dazu gibt. Am Wochenende spiele ich, arbeite also wenn andere frei haben und könnte daher doch heute entspannt ´nen Ruhigen machen. Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zum freiberuflich sein - zum einen genieße ich es, dass der Park jetzt nicht so überfüllt ist, dass ich einkaufen gehen kann wenn die Schlangen im Supermarkt kurz sind, dass es generell überall recht ruhig und leer ist. Auf der anderen Seite macht mich das nervös, zu wissen dass die „Anderen“ jetzt produktiv sind und ich nicht.
Dabei habe ich mir schon so oft gesagt: WENN in Hamburg Traumwetter ist und man die Chance hat, es zu nutzen, dann muss man das einfach machen, es gibt eh schon 320 Tage im Jahr wo das nicht so ist.
Aber Hand auf´s Herz - es gibt auch Tage an denen kein Traumwetter ist und ich trotzdem unter der Woche mal frei habe (so ein Wochentag ist dann quasi mein Wochenendtag) und mich das schlechte Gewissen plagt weil ich einfach den ganzen Tag nichts besonderes mache. Ich bin in der Hinsicht einfach ein Rudeltier - dann frei haben, wenn alle frei haben, dann arbeiten, wenn alle arbeiten, dann in den Urlaub fahren wenn alle in den Urlaub fahren; das gibt mir irgendwie Ruhe! Dabei ist es doch eigentlich ein totaler Luxus, das gerade nicht so machen zu müssen - wäre da nicht diese Stimme im Kopf, die mir einredet: „du sonnst dich einfach an einem Donnerstag um 14.00? Geht´s noch? Mach deine Buchhaltung oder übe oder setz dich ans Klavier oder oder oder!“
Dass der Zeitplan einfach etwas anders ist bei uns Musikern und ich ja den ganzen Tag unterwegs bin wenn Samstag alle im Park grillen oder es auch Zeiten gibt, an denen es wochenlang keinen freien Tag gibt, das will diese Stimme nicht wahr haben. Das liegt aber auch etwas an unserer Gesellschaft - Leistung, Erfolg, beschäftigt sein, das gehört zum coolen Lifestyle dazu. Einfach zu sagen: „och ich habe heute nix besonderes gemacht“ - das kommt nicht so gut an. In meinem Freundeskreis sind alle ständig busy oder sagen das zumindest, die nächsten Dates sind in drei Wochen möglich, selbst wenn es um einen Kaffee zwischendurch geht und ich muss gestehen, oftmals selber diesem Pulk anzugehören. Ist ja auch schön, dass wir alle so gut zu tun haben (und das meine ich ernst). Aber manchmal frage ich mich trotzdem, ob es wirklich so verwerflich ist, sich mit einem guten Buch in den Schatten oder auf die Couch zu hocken (auch wenn der Preis dann halt häufig das schlechte Gewissen ist). Ich glaube, letztendlich sitzen wir alle im selben Boot, stressen uns mit den Facebook-Posts der anderen, wie viel die unterwegs sind und wie erfolgreich die sind und posten selber Bilder, auf denen wir zeigen, wie viel wir unterwegs und wie erfolgreich wir sind. Das Ganze potenziert sich dann zu einer heimlichen Battle, auf die eigentlich keiner Lust hat.
Und darum geht es am Ende doch auch gar nicht - es geht darum, die schönen Momente zu genießen, Zeit füreinander zu haben, Die Akkus für stressigere Zeiten aufzuladen, Genuss ohne schlechtes Gewissen um dann auch wieder Lust auf seinen Job zu haben.
Ich bin da selber sicher nicht immer das beste Vorbild aber oft gelingt es mir inzwischen schon, einfach zu genießen, im Moment zu sein, Zeiten für Urlaub zu blocken und Freunden und Familie Prioritäten einzuräumen. Ich blocke zum Beispiel einfach ab und zu mal ein Wochenende damit mich eine weit entfernt wohnende Freundin besuchen kann (oder umgekehrt) - das ist glaub ich für viele nicht vorstellbar und klar geht das auch nicht ständig aber mir sind meine Freundschaften so wichtig, dass ich in Kauf nehme, vielleicht dann mal einen Gig weniger zu spielen. Das muss jeder für sich wissen, aber ich glaube am Ende muss man sich die Frage stellen, worauf es einem im Leben ankommt. Ich liebe die Musik und die Arbeit, ich liebe aber auch meinen Freund, meine Familie und meine Freunde und ich liebe es, mit einem guten Buch und einem Eis an einem freien Tag im Stadtpark zu liegen.
Solche Fragen und Zwiespälte mit sich selbst aufzuschreiben hilft - jetzt geht es mir schon viel besser und die blöde „du müsstest/könntest blablabla“ Stimme in meinem Kopf ist schon viel leiser geworden, yeah!!
Ich schicke euch allen einen lieben Gruß und ein paar Sonnenstrahlen aus dem Park und rate euch, macht ab und zu mal dasselbe - auch wenn ihr eigentlich noch so viel anders machen könntet. Lernt (so wie ich gerade) diese nervige Stimme im Kopf zu ignorieren, am nächsten Tag können wir dann alle ausgeruht mit doppelt so viel Energie und klarem Geist wieder an die Arbeit! Ich klappe jetzt den Laptop zu und lese :)
P.S. und falls noch jemand eine gute Buch - Empfehlung hat, immer her damit!